Belastungssituation
Allgemeiner Überblick
Wie in vielen anderen Bereichen der Arbeitswelt, so hat sich auch der gerichtliche Arbeitsalltag in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Die Justiz führt auch insoweit kein Inseldasein. Neben der Einführung moderner Bürokommunikationsmittel sind es insbesondere neue Aufgaben und nachhaltige Veränderungen im Anforderungsprofil bei der Bewältigung herkömmlicher Justizgewährungsaufgaben, die auch bei den Gerichten die Arbeitswelt für den einzelnen Mitarbeiter immer intensiver hat werden lassen. Einzelne, sicher notwendige Reformprojekte des Gesetzgebers aus jüngerer Vergangenheit, wie etwa das Betreuungsrecht, sind besonders personalintensiv.
Von entscheidender Bedeutung sind indes die stetigen Veränderungen in den Kernbereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit. Nicht nur, dass sich diese Verfahren inhaltlich verändert haben, indem sie komplexer und juristisch anspruchsvoller in der Handhabung geworden sind, durch Zuständigkeitsverlagerungen namentlich an die Amtsgerichte sind schwierige Verfahren zudem vermehrt durch Einzelrichter zu bewältigen, mithin ohne die unbestreitbaren Vorzüge einer (kollegialen) Beratungssituation. Durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. 7. 2001 (BGBl. I, S. 1887) ist auch bei den Landgerichten weitestgehend die Zuständigkeit des Einzelrichters begründet worden, der anstelle der mit drei Richtern besetzten Kammer entscheidet. Beispielhaft sei dazu auf die Zuständigkeitsverlagerungen im Strafprozess hingewiesen. Hier reicht die Strafgewalt des Strafrichters seit den Änderungen durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl. I, S. 50) bis zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die des Schöffengerichts, welches ebenfalls beim Amtsgericht angesiedelt ist, bis zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren. Hinzu kommt, dass durch hier nicht zu erörternde Fehlentwicklungen ( vgl. dazu beispielsweise Pillmann, Das Problem langer Strafverfahren, Deutsche Richterzeitung 1998, S. 511) Strafverfahren in einer nennenswerten Anzahl von Fällen prozessual kaum noch zu handhaben sind. Zwar ist eine vergleichbare Entwicklung in Zivilprozessen nicht zu beobachten, doch gilt auch für diese Verfahren, dass sie in einer immer komplexer werdenden Welt schon wegen der notwendigen Durchdringung der zu Grunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse zunehmend schwieriger werden. Zudem sind die Wertgrenzen für die Zuständigkeit des Amtsrichters in Zivilverfahren in der Vergangenheit mehrfach angehoben worden, so dass er nunmehr für Rechtsstreitigkeiten mit einem Gegenstandswert von bis zu 5.000 EUR zuständig ist.
Gegenwärtig prägen die desolate Haushaltslage und der damit einhergehende Personalabbau (auch im Richterbereich) die Belastungssituation der Justiz zunehmend. Die durch das Zivilprozessreformgesetz und andere Gesetze in jüngerer Zeit geschaffenen Entlastungsmöglichkeiten vermögen demgegenüber die wachsende Arbeitsbelastung der Justiz nicht aufzufangen.