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Betriebsschließungsversicherungen greifen allenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem das Corona-Virus im Infektionsschutzgesetz aufgeführt wurde

- Oberlandesgericht Celle differenziert Rechtsprechung zu Versicherungsverträgen, die auf das Infektionsschutzgesetz verweisen -


CELLE. Der für Rechtsstreitigkeiten über Versicherungsverhältnisse zuständige 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat seine Rechtsprechung zu Betriebsschließungsversicherungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie mit Urteil vom 18. November 2021 fortgeführt (Az. 8 U 123/21).

Unter anderem am 1. Juli 2021 hatte er entschieden, dass solche Versicherungen keinen Schutz bieten, wenn Betriebsschließungen nur im Zusammenhang mit abschließend aufgezählten Krankheitserregern versichert sind, das Corona-Virus in dieser Aufzählung aber nicht enthalten ist (vgl. Pressemitteilung vom 9. Juli 2021).

Was gilt aber, wenn die Versicherungsbedingungen selbst keine solche ausdrückliche Aufzählung enthalten? Sind sie so formuliert, dass Versicherungsschutz gewährt wird, „wenn die zuständige Behörde aufgrund einer im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheit (…) den versicherten Betrieb (…) ganz oder teilweise schließt“, so liegt hierin nach dem aktuellen Urteil des Senats eine sog. dynamische Verweisung. Es sind dann alle behördlich angeordneten Betriebsschließungen versichert, die zum Schutz vor denjenigen Krankheiten oder Krankheitserregern erfolgen, die zum Zeitpunkt der Anordnung in dem Infektionsschutzgesetz ausdrücklich genannt sind.

In dem von dem Senat zu entscheidenden Fall betreibt die Versicherungsnehmerin ein Hotel in Hameln. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden Übernachtungen zu touristischen Zwecken mehrfach untersagt, zum einen durch eine sog. Allgemeinverfügung des Landkreises Hameln-Pyrmont vom 18. März 2020 und zum anderen durch eine Verordnung des Landes Niedersachsen vom 30. Oktober 2020. In beiden Fällen stellte die Klägerin den Betrieb für Übernachtungen zu touristischen Zwecken vorübergehend ein und begehrt nunmehr Versicherungsleistungen.

Im Hinblick auf die erste Betriebsunterbrechung wies der Senat die Klage ab. Bei Erlass der Allgemeinverfügung am 18. März 2020 waren weder COVID-19 als Krankheit noch SARS-CoV bzw. SARS-CoV-2 als Krankheitserreger im Infektionsschutzgesetz aufgeführt. Dies erfolgte erstmals mit Wirkung ab dem 23. Mai 2020.

Im Hinblick auf die zweite Betriebsunterbrechung stellte der Senat demgegenüber den Anspruch auf Versicherungsschutz dem Grunde nach fest. Die durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung erlassene Verordnung sei eine behördliche Anordnung im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen. Während die Oberlandesgerichte Schleswig und Hamburg noch entschieden hatten, dass Versicherungsschutz nur in Fällen bestehe, in denen eine aus dem versicherten Betrieb selbst stammende Infektionsgefahr gebannt werden solle, hat das Oberlandesgericht Celle eine solche Einschränkung abgelehnt. Auch ob die Verordnung rechtmäßig gewesen sei, könne offenbleiben – der Versicherungsschutz hänge hiervon nicht ab. Dem Schutz stehe schließlich auch nicht entgegen, dass eine Beherbergung von Geschäftsreisenden weiterhin möglich war, weil die Versicherung schon bei Teilschließungen eingriff.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Die vollständige Entscheidung ist in anonymisierter Form in der Niedersächsischen Rechtsprechungsdatenbank abrufbar:

Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal - Dokument: OLG Celle 8. Zivilsenat | 8 U 123/21 | Urteil | Langtext vorhanden (juris.de)

Ansprechpartner:

Andreas Keppler

Richter am Oberlandesgericht

Pressesprecher

Telefon: 05141 / 206 777

01525 6798160


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Artikel-Informationen

erstellt am:
03.12.2021

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