Gemeinsame Pressemitteilung der Oberlandesgerichte und des Kammergerichts
Reform des Strafprozesses - Praktiker melden sich zu Wort
Hannover. Der Strafprozess muss effektiver gestaltet werden, so lautet das klare Fazit des bundesweiten Strafkammertages, der heute am Landgericht Hannover stattfand.
Die Strafrichterinnen und -richter fordern mehr Flexibilität bei der Verteilung der Strafverfahren innerhalb eines Gerichts, um die Bearbeitung zu beschleunigen und die Verfahrensdauer zu verkürzen. Zur Beschleunigung der Verfahren soll die Konzentration von Wirtschaftsstrafverfahren ebenso beitragen wie die stärkere Unterstützung der Vorsitzenden in der Sitzungsvorbereitung durch einen Fachkräftepool. Über die Rüge der falschen Besetzung des Gerichts soll verbindlich zu Beginn eines Prozesses entschieden werden und nicht - wie bisher - erst nach dessen Abschluss. Das bisherige Verfahren führt dazu, dass der gesamte Prozess bei erfolgreicher Rüge wiederholt werden muss.
Erstmals sind in Hannover rund 70 erfahrene Praktikerinnen und Praktiker aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengekommen, um ihre Erfahrungen und Anregungen aus der täglichen Arbeit in die aktuelle Diskussion über die Reform des Strafprozesses einzubringen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben in fünf Arbeitsgruppen diskutiert, wie der Strafprozess reformiert und praxistauglicher gestaltet werden kann. Ihr Fokus lag dabei auf einer effizienteren Gestaltung der Hauptverhandlung. Sie wollen ihre Erfahrungen einbringen, um die Hauptverhandlung im Strafprozess zu vereinfachen und die Gerichte zu entlasten. Dadurch soll verhindert werden, dass in umfangreichen Strafverfahren wegen der langen Verfahrensdauer ein Strafrabatt zu gewähren ist. Denn der Rechtsstaat wird seine Akzeptanz nur bewahren können, wenn die Strafjustiz schnell und konsequent handeln kann.
Den Strafkammertag haben die Präsidentin und die Präsidenten der Oberlandesgerichte Bamberg, Braunschweig, Celle, Frankfurt, Köln, Schleswig und Stuttgart organisiert und gestaltet. Grußworte haben die Niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz und die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg gesprochen. Den Einleitungsvortrag hat die Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Dr. Stefanie Hubig gehalten.
Einige Thesen und Forderungen der Praktikerinnen und Praktiker:
• bindende Vorabentscheidung über Besetzungsrügen wegen falscher Gerichtsbesetzung
• Beschleunigung des Verfahrens durch Geltendmachung von Einwendungen schon im sog. Zwischenverfahren zwischen Anklageerhebung und Eröffnung der Hauptverhandlung
• Strafabschläge wegen überlanger Verfahrensdauer durch flexiblere Möglichkeiten der Geschäftsverteilung innerhalb der Gerichte vermeiden
• Fristsetzung für Beweisanträge, die nach Abschluss der von Amts wegen durchgeführten Beweisaufnahme gestellt werden
• mehr Möglichkeiten zum Verlesen von Zeugenantworten in Fragebögen in gleichgelagerten Masseverfahren (bspw. Internetkriminalität)
• Behandlung von Befangenheitsanträgen außerhalb der Hauptverhandlung: Fortsetzung der Verhandlung; Entscheidung über das Befangenheitsgesuch spätestens binnen 3 Wochen
• Konzentration der Wirtschaftsstrafkammerstandorte in den Ländern und länderübergreifend
• Unterstützung von Richterinnen und Richtern in Wirtschaftsstrafverfahren - Fachkräftepool bilden (Sachbearbeiter, Wirtschaftsreferent, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer)
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